Dewey Decimal Classification (DDC)

Die Dewey Decimal Classification (DDC), auch als Dewey-Dezimalklassifikation bezeichnet, ist ein international anerkanntes System zur systematischen Erschließung und Ordnung von Wissensgebieten.

Produkt:
Bibliotheksmanagement

Ursprünglich 1876 von Melvil Dewey entwickelt, gehört die DDC zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Klassifikationssystemen, insbesondere in öffentlichen und vielen wissenschaftlichen Bibliotheken. 

Sie wird heute vom Online Computer Library Center (OCLC) betreut und durch das Editorial Policy Committee fortlaufend weiterentwickelt. Neben der Printausgabe erscheinen kontinuierlich elektronische Updates, die etwa unter dem Namen „DDC 23“ mit fortlaufenden Ergänzungen (z. B. WebDewey) geführt werden; eine durchgehend datierte Neuauflage gibt es allerdings nicht für jede Änderung.

Die DDC liegt in vielen Sprachen vor, etwa als die umfassende „DDC Deutsch“, wobei nationale Versionen auch gezielte Anpassungen enthalten können. Das Ziel der DDC ist es, jede Art von Bestandsobjekten - zum Beispiel Bücher, Zeitschriften, audiovisuelle Medien oder digitale Ressourcen - anhand ihres thematischen Inhalts systematisch einer Notation zuzuordnen. 

Dies erleichtert die physische und digitale Aufstellung sowie die strukturierte Recherche und Verwaltung innerhalb moderner Informationsmanagement-Systeme. Die DDC wird vor allem in Bibliotheken verwendet, ist aber auch in verschiedenen Dokumentationsstellen und speziellen Informationszentren im Einsatz. Ihre Verbreitung variiert regional und steht in Konkurrenz zu anderen Klassifikationssystemen wie der Library of Congress Classification (LCC) und der Universal Decimal Classification (UDC).

Grundprinzipien der DDC

Die DDC folgt grundlegenden Prinzipien, um Wissen möglichst systematisch zu erschließen:

  • Hauptaspekt-Prinzip: Jedes Werk wird nach dem primären thematischen Aspekt klassifiziert, nicht zwingend nach Randthemen oder abweichenden Perspektiven.
  • Relativindex: Der Relativindex ist ein alphabetisches Register, das Begriffe unabhängig von ihrer fachlichen Zuordnung aufführt und Querverweise bietet. So können Benutzer relevante Hauptklassen auch über Synonyme oder verwandte Begriffe finden.
  • Vielschichtigkeit: Jeder Notation kann nur eine eindeutige Stelle im Klassifikationsbaum zugewiesen werden. Für Werke mit mehreren Themen gibt es Regeln zur bevorzugten Eingliederung.
  • Präzision durch Notation: Die Notation gibt neben dem behandelten Fachgebiet auch den Betrachtungsaspekt an, was bei interdisziplinären Werken besonders wichtig ist.
  • Regeln für Mehrfachzuordnung: Für fachübergreifende oder kombinierte Themen existieren Verfahren, um eine eindeutige und nachvollziehbare Notation zu vergeben.

Aufbau und Struktur der DDC

Das System basiert auf einem dekadischen, hierarchischen Zahlensystem. Das gesamte Wissen ist in zehn Hauptklassen unterteilt, die aufeinander aufbauend zunehmend differenziert werden. Die Nummerierung ist weltweit erkennbar, die konkrete Unterteilung kann je nach Sprachversion leicht differieren.

Übersicht der zehn Hauptklassen (Beispiel DDC Deutsch / Englisch):

  • 000 - Allgemeines, Informatik, Informationswissenschaft (Generalities, Computer Science, Information)
  • 100 - Philosophie, Psychologie (Philosophy & Psychology)
  • 200 - Religion (Religion)
  • 300 - Sozialwissenschaften (Social Sciences)
  • 400 - Sprache (Language)
  • 500 - Naturwissenschaften, Mathematik (Science & Mathematics)
  • 600 - Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften (Technology, Applied Sciences)
  • 700 - Künste, Freizeit (Arts & Recreation)
  • 800 - Literatur (Literature)
  • 900 - Geschichte, Geografie (History & Geography)

Die Systematik ermöglicht beliebig feine Gliederungen. So steht die Notation 595 für „Gliederfüßer (Arthropoda)“, 595.789 für „Schmetterlinge (Lepidoptera)“ oder 512 für „Algebra“. Die genaue Unterteilung kann je nach nationaler Adaption (zum Beispiel DDC Deutsch) leichte Unterschiede aufweisen. Die Hauptklassen werden durch Dezimalstellen und weitere Ziffern immer spezialisierter. Zusätze hinter dem Dezimalpunkt erlauben noch differenziertere Einordnungen.

Typische Signatur in einem angloamerikanischen Kontext kann z. B. so aussehen:

595.789 SMI 2019

  • 595.789: Sachnotation (Schmetterlinge)
  • SMI: Cutter-Nummer als Katalogisierungszusatz (z. B. nach dem Autor Smith), die jedoch nicht Teil der DDC selbst ist, sondern von Bibliotheken zur Signaturbildung hinzugefügt wird.
  • 2019: Jahr der Veröffentlichung (optionaler Zusatz)

Historische Entwicklung und Herausgeberschaft

Melvil Dewey entwickelte die DDC im späten 19. Jahrhundert, um die Ordnungsprobleme wachsender Bibliotheksbestände zu lösen. Seitdem wurde das System regelmäßig überarbeitet, um neue Wissensgebiete, Forschungsfelder sowie interdisziplinäre Themen aufzunehmen. 

Heute verantwortet das OCLC gemeinsam mit dem Editorial Policy Committee die weltweite Weiterentwicklung, nationale Anpassungen werden durch Länderkonsortien gepflegt (zum Beispiel das Drei-Länder-Konsortium für DDC Deutsch). Die DDC wird über Printeditionen und als fortlaufend aktualisierte Onlineversion (WebDewey) verbreitet. 

Während die vollständigen inhaltlichen Beschreibungen urheberrechtlich geschützt sind, sind die reinen Nummerncodes zum Teil frei nutzbar, abhängig von nationalem Recht. Für die Nutzung der kompletten Systematik und begleitender Werkzeuge ist grundsätzlich eine Lizenz erforderlich.

Bedeutung im internationalen Kontext und Unterschiede zu anderen Systemen

Die DDC gilt als internationaler Standard für die Erschließung von Bibliotheksbeständen, insbesondere öffentlicher Bibliotheken. Sie unterstützt den Austausch bibliografischer Daten und deren Integration in internationale Datenbanken, zum Beispiel in MARC21-Format oder über bibliothekarische Schnittstellen. Übersetzungen und nationale Adaptionen erlauben die Nutzung in zahlreichen Ländern.

Im wissenschaftlichen Bibliotheksbereich ist jedoch in den USA die Library of Congress Classification (LCC) verbreiteter. Die Universal Decimal Classification (UDC) findet in vielen Teilen Europas, in Osteuropa und in Asien breite Anwendung in allen Bibliotheksarten, nicht nur in technisch-wissenschaftlichen Spezialbibliotheken. Weitere deutschsprachige Systeme sind die Regensburger Verbundklassifikation (RVK) und die Basisklassifikation (BK). Mappings und Konversionen (Crosswalks) zwischen diesen Systemen werden entwickelt, um einen Austausch von Metadaten und Bestandsinformationen zu erleichtern.

Ein wesentlicher Unterschied der DDC zu verwandten Systemen ist der breite Relativindex, die klare Dekadik und die Möglichkeit, verschiedenste Wissensbereiche hierarchisch und granular zu erschließen.

Praktische Anwendung der DDC

Im Informationsmanagement unterstützt die DDC verschiedene Prozesse:

  • Konsistente Erschließung: Werke werden durch die Vergabe von DDC-Notation präzise nach ihrem Hauptaspekt eingeordnet. Der Aspekt, unter dem das Werk behandelt wird, kann von seiner Fachdisziplin abweichen und folgt festen Regeln der Systematik.
  • Themenspezifische Recherche: Nutzer finden Literatur thematisch sortiert. Der Relativindex erleichtert die Suche nach Synonymen oder thematischen Querverbindungen.
  • Signaturbildung: Die DDC-Nummer bildet das Kernstück der Signatur. Cutter-Nummern oder andere Buchstabencodes werden unabhängig zur weiteren Spezifikation ergänzt, gehören jedoch nicht zur DDC selbst.
  • Medienübergreifende Verwaltung: Unterschiedlichste Medientypen - gedruckt und digital - werden einheitlich erschlossen und verwaltet.
  • Integration in moderne Informationssysteme: Die DDC bildet die Grundlage für die Katalogisierung. Für umfassendes Retrieval und bessere Auffindbarkeit werden häufig weitere Systeme wie Schlagwortnormdateien und Normdaten (z. B. GND) parallel genutzt.
  • Nationale und internationale Kooperation: Einheitliche Notationen fördern den Datenaustausch und erleichtern Konsortiallösungen.

Praxisbeispiel: Eine Bibliothekssoftware schlägt automatisiert nach Recherche in WebDewey die Notation „595.789“ für ein Werk über Schmetterlinge vor. Ein/e Bibliothekar/in prüft die Zuordnung, bestätigt oder korrigiert sie und ergänzt gegebenenfalls einen Cutter oder weitere Signaturbestandteile. So wird das Medium sowohl digital als auch physisch optimal auffindbar.

Anwendung und Grenzen bei digitalen Medien

Mit dem Wandel zu digitalen Ressourcen ergeben sich neue Anforderungen. „Born-digital“-Medien, Websites oder Datenbanken lassen sich zwar in die DDC integrieren, verlangen jedoch aufgrund ihrer Multimedialität und Multiperspektivität oft eine differenzierte Notationsvergabe. 

Die Anwendung der DDC erfordert hier ein besonderes Augenmerk auf den Hauptaspekt, den Behandlungsschwerpunkt und den Umgang mit sich rasch verändernden Themen. Automatisierte Kategorisierungen durch KI-Tools werden zunehmend genutzt, verbleiben aber fehleranfällig und bedürfen menschlicher Qualitätssicherung.

Herausforderungen und Kritikpunkte

Die praktische Anwendung der DDC bringt verschiedene Herausforderungen mit sich:

  • Aktualisierungen und lokale Anpassungen: Die laufenden Updates der DDC müssen regelmäßig in lokalen Systemen gepflegt werden. Eigenständige Ergänzungen können zwar institutionelle Bedürfnisse abdecken, erschweren aber den internationalen Datenaustausch.
  • Schulungsbedarf: Die Komplexität der DDC und ihrer Regeln (z. B. zur Mehrfachzuordnung, zum bevorzugten Hauptaspekt oder zum Relativindex) setzt umfassend geschultes Fachpersonal voraus. Fortbildungen und spezielle Handbücher sind notwendig.
  • Interdisziplinarität: Die eindeutige Notationsvergabe bei interdisziplinären oder neuen Forschungsgebieten ist herausfordernd, insbesondere wenn keine passende Klasse existiert oder mehrere Aspekte gleichwertig sein könnten.
  • Lizenzierung und Urheberrecht: Die vollständige DDC-Systematik sowie begleitende Tools (WebDewey, Printausgaben) sind urheberrechtlich bzw. lizenzrechtlich geschützt. Die reine Notation unterliegt meist keinem Schutz, wohingegen die ausführlichen Beschreibungen und Indices sowohl in Print als auch digital lizenziert werden müssen.
  • Kultureller Bias und Sprachproblematik: Die DDC wurde ursprünglich im westlichen Kontext entwickelt. Nicht-westliche oder minorisierte Wissensgebiete sind in der Systematik stellenweise weniger differenziert erfasst.
  • Technische Herausforderungen: Die Einführung und Integration in IT-Systeme erfordert Schnittstellen zu Datenbanken, fortlaufende Updates und kompatible Katalogisierungsumgebungen.
  • Kombination mit anderen Instrumenten: Die DDC erfüllt die Funktion einer Klassifikation, ermöglicht aber kein facettenreiches Retrieval wie kontrollierte Schlagwortsysteme oder Normdatendienste.

Nationale Anpassungen und Gemeinschaften

Länderspezifische Konsortien, z. B. das Drei-Länder-Konsortium in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowie internationale Anwenderkonferenzen stellen für Pflege, Anwendung und Weiterentwicklung wichtige Plattformen dar. „DDC Deutsch“ ist ein Beispiel für eine an den deutschsprachigen Raum angepasste, teilweise erweiterte und regelmäßig gepflegte Version.

Werkzeuge und Ressourcen

  • WebDewey: Ein webbasiertes Tool zur laufend aktualisierten Nutzung der vollständigen DDC, subscription- und lizenzpflichtig.
  • Printausgaben: Neben Onlinezugängen gibt es umfassende gedruckte DDC-Handbücher für Bibliotheken.
  • DDC Summaries: Die wichtigsten Hauptklassen und grundlegenden Strukturen sind über die OCLC-Website als frei zugängliche Kurzversion abrufbar.
  • Handreichungen und Online-Tutorials: Nationale Fachstellen bieten zahlreiche Anleitungen, Best-Practices und Schulungsunterlagen zur Anwendung der DDC.
  • Community und Austausch: Editorial Policy Committee, nationale Fachgremien und internationale Veranstaltungen unterstützen die Weiterentwicklung und Koordination.

Umgang mit Aktualisierungen

Institutionen müssen sicherstellen, dass DDC-Updates zeitnah in die eigene Systemumgebung integriert werden. Rückmeldungen an das OCLC, die Beteiligung an Anwendergruppen sowie die konsequente Dokumentation lokaler Anpassungen werden empfohlen, um Konsistenz und internationale Anschlussfähigkeit zu sichern.

Häufige Fragen zur Dewey Decimal Classification (DDC)

Was sind die wichtigsten Vorteile der DDC für Bibliotheken?

Die DDC bietet eine weltweit erprobte, hierarchisch strukturierte Systematik zur Erschließung und Präsentation verschiedenster Medien. Sie erleichtert die Übersicht, fördert die Recherche und unterstützt den Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Einrichtungen.

Kann die DDC für verschiedene Medientypen genutzt werden?

Ja, die DDC ist universell einsetzbar für Print- wie Digitalobjekte: Bücher, Zeitschriften, audiovisuelle Medien, Online-Quellen oder Forschungsdaten lassen sich einheitlich klassifizieren, recherchieren und verwalten.

Wie finde ich die korrekte DDC-Notation?

Die korrekte DDC-Notation bestimmen Sie mit Werkzeugen wie WebDewey, Printausgaben oder den frei verfügbaren DDC Summaries. Viele Bibliotheksmanagement-Systeme bieten eine Schnittstelle zu diesen Diensten und schlagen automatische Notationen vor, die von bibliothekarischem Fachpersonal geprüft und angepasst werden.

Welche Flexibilität und Grenzen bietet die DDC?

Die DDC lässt gezielte Anpassungen und Erweiterungen zu, z. B. durch lokale Gliederungen oder zusätzliche Notationen. Beachten Sie jedoch, dass Veränderungen die internationale Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit einschränken und gut dokumentiert werden müssen.

Wie unterscheiden sich DDC, LCC, UDC, BK und RVK?

Die DDC ist durch ihren dekadischen Aufbau, den Relativindex und ihre breite Anwendung in öffentlichen Bibliotheken charakterisiert. LCC dominiert wissenschaftliche US-Bibliotheken, UDC ist international weit verbreitet und flexibel, RVK und BK sind deutschsprachige Verbundklassifikationen. Die Auswahl hängt von institutionellen, regionalen und inhaltlichen Anforderungen ab.

Wie arbeitet die DDC mit anderen bibliothekarischen Instrumenten zusammen?

Im modernen Informationsmanagement werden DDC-Klassifikationen häufig mit Schlagwortnormdateien, Normdaten (z. B. GND) und anderen Retrievalsystemen kombiniert, um die Auffindbarkeit und inhaltliche Erschließung zu maximieren.

Welche rechtlichen Bedingungen gelten für die Nutzung der DDC?

Die vollständige Systematik der DDC (Texte, detaillierte Klassenzuordnungen, Index) sowie begleitende Tools und Softwarelösungen sind urheberrechtlich geschützt. Für die Nutzung sind Lizenzen beim OCLC oder entsprechenden Partnern erforderlich. Reine Notationsnummern sind in vielen Ländern frei nutzbar, eine umfassende Erschließung und Nutzung erfordert jedoch legalen Zugriff.

Gibt es offene, frei verfügbare Ressourcen der DDC?

Die Hauptklassen und grundlegenden Hierarchien der DDC sind über die OCLC-Website als „DDC Summaries“ frei erhältlich. Für den vollen Funktionsumfang und redaktionelle Features wird ein kostenpflichtiger Zugang benötigt.

Wie läuft die Schulung in der DDC ab?

Eine umfassende Ausbildung umfasst das Studium der Grundprinzipien (Hauptaspekt, Relativindex), Regelwerke und Anwenderliteratur sowie praktische Übungen. Es gibt Präsenzseminare, Online-Tutorials und Hilfsmaterialien von OCLC und nationalen Fachstellen.

Wie werden Aktualisierungen in lokalen Systemen eingepflegt?

Bibliotheken übernehmen laufende Anpassungen durch regelmäßigen Abgleich mit WebDewey oder Printnachträgen. Es empfiehlt sich, lokale Ergänzungen sorgfältig zu dokumentieren und regelmäßige Schulungen zur Aktualisierung durchzuführen.

Inhaltsverzeichnis