Sie ordnet Themen aus allen Fachgebieten in einem hierarchisch aufgebauten System. UDC unterstützt Bibliotheken, Informationszentren, Dokumentationsstellen, Archive und gelegentlich Museen dabei, Bestände, digitale Ressourcen und andere Informationsquellen optimal zu erfassen, zu organisieren und auffindbar zu machen.
Durch die vielseitige Struktur der UDC wird die Recherche und Verwaltung selbst umfangreicher und interdisziplinärer Sammlungen effizient möglich.
Geschichte und Entwicklung der UDC
Die Entwicklung der UDC wurde 1895 von Paul Otlet und Henri La Fontaine in Belgien initiiert. Grundlage war die Dewey-Dezimalklassifikation (DDC), die Otlet und La Fontaine erheblich erweiterten und für sämtliche Disziplinen nutzbar machten.
Die erste vollständige Veröffentlichung der UDC erfolgte 1905. Zunächst lag die Pflege und Verwertung der UDC bei der Fédération Internationale de Documentation (FID). Seit 1992 ist das internationale UDC Consortium (UDCC) mit Sitz in Den Haag für die Weiterentwicklung, Pflege sowie Rechteverwaltung der UDC zuständig.
Die UDC wird kontinuierlich aktualisiert und liegt heute in rund 40 Sprachen und in verschiedenen digitalen Formaten (z. B. XML, SKOS, RDF) sowie als Online-Datenbank, Printveröffentlichung und maschinenlesbare Datenquelle vor.
Struktur und Besonderheiten der UDC
Das Kernprinzip der UDC ist ein dezimales Notationssystem. Dieses gliedert das gesamte Wissen in zehn Hauptklassen, die durch dreistellige Ziffernfolgen gekennzeichnet sind. Die Zuordnung erfolgt nicht statisch, sondern kann durch weitere Ziffern, Sonderzeichen und die Anwendung sogenannter Hilfstafeln präzisiert werden. Typisch für die UDC ist diese flexible Feingliederung und Kombinierbarkeit: So lassen sich spezifische Themen bis ins Detail darstellen.
Hauptklassen der UDC (Überblick)
- 0 - Allgemeines. Wissenschaft und Wissen. Organisation. Computerwissenschaften. Information. Dokumentation. Bibliografie. Institutionen. Publikationen
- 1 - Philosophie. Psychologie
- 2 - Religion. Theologie
- 3 - Sozialwissenschaften
- 4 - (nicht besetzt: historisch für Philologie/Sprachwissenschaft vorgesehen, heute ungenutzt)
- 5 - Mathematik. Naturwissenschaften
- 6 - Angewandte Wissenschaften. Medizin. Technik
- 7 - Kunst. Unterhaltung. Sport. Freizeit
- 8 - Sprache. Literatur. Sprachwissenschaft
- 9 - Geografie. Biografie. Geschichte
Die Klasse 4 bleibt in der UDC unbesetzt. Ursprünglich für Philologie und Sprachwissenschaften vorgesehen, werden diese Themen heute der Klasse 8 zugeordnet. Diese Leerstellung ist ein Ergebnis der historischen Entwicklung und kein ausschließliches Merkmal der UDC, da auch andere Klassifikationen nicht belegte Bereiche aufweisen können.
Syntaktische Zeichen in der UDC
Die UDC greift auf eine Reihe von Sondersymbolen zurück, um Beziehungen, Zusammenstellungen und Bereiche abzubilden:
- Doppelpunkt „:“ - zeigt eine Beziehung oder Verbindung zwischen zwei Fächern an (z. B. 621.395:61 - Fernmeldetechnik in Beziehung zur Medizin).
- Pluszeichen „+“ - fügt Notationen als Zusammenstellung nebeneinander (z. B. 61+62 für „Medizin und Ingenieurwissenschaften“ als separate Bereiche).
- Schrägstrich „/“ - zeigt einen Bereich, also eine Sequenz zusammenhängender Themen (z. B. 930/939 für Geschichte von der Antike bis zum Mittelalter).
- Klammern „()“ - kennzeichnen Hilfstafeln z. B. für Orte oder Zeiträume ([eckige Klammern] in digitalen Formaten, runde in Druckausgaben).
- Gleichheitszeichen „=“ - gibt eine Sprache an (z. B. =111 für Englisch).
- Bindestrich „-“ - leitet viele Hilfstafeln ein (z. B. -047 für „illustrierte Werke“).
Durch diese Zeichen und die Kombinierbarkeit ergeben sich äußerst differenzierte Notationsmöglichkeiten.
Hilfstafeln (Auxiliary Tables) und ihre Typen
Die UDC nutzt zwei Hauptarten von Hilfstafeln:
- Gemeinsame Hilfstafeln (Common Auxiliaries): Für Angaben wie Form (-0...), Ort (-1...), Sprache (=...), Zeit („...“), Eigennamen, Materialien und andere Merkmale.
- Besondere Hilfstafeln (Special Auxiliaries): Für disziplinspezifische Erweiterungen innerhalb einer Haupt- oder Unterklasse.
Zum Beispiel erlaubt Ihnen die Hilfstafel -042 die Kennzeichnung einer Masterarbeit, während -2... Ländern oder Regionen zugeordnet werden kann. So lässt sich ein Thema um Angaben wie geographische Herkunft oder Dokumenttyp erweitern.
Kombinieren und Präzisieren mittels UDC-Notationen
Jedes Thema erhält eine UDC-Notation. Beispiele:
- 621.395 - Fernmeldetechnik
- 61 - Medizin
Durch Anwendung der syntaktischen Zeichen:
- 621.395:61 - Beziehung zwischen Fernmeldetechnik und Medizin (z. B. Telemedizin)
- 621.865+616-006 - Kombination zweier Bereiche: Industrieroboter (621.865) mit Krebs (616-006). Die genaue Zusammensetzung richtet sich nach Kontext und Anwendungsrichtlinien: Häufig erfolgt die Feinspezifizierung mit Hilfstafeln, etwa für Dokumententypen oder Orte.
Die Notationen und Zeichen erlauben eine präzise, internationale und disziplinübergreifende Erschließung von Themen.
Anwendung und Bedeutung der UDC im Bibliotheksmanagement
Die UDC wird international genutzt, besonders in wissenschaftlichen Bibliotheken, Spezialbibliotheken, Archiven sowie in Dokumentations- und Forschungszentren. Sie ist besonders geeignet, wenn Bestände sprachlich oder fachlich sehr vielfältig sind und Metadaten international harmonisiert werden sollen. Auch bei der Organisation digitaler oder hybrider Bestände leistet die UDC wertvolle Dienste, unter anderem im Kontext von Discovery-Systemen, Forschungsdatenbanken sowie digitalen Katalogen.
Professionelle Bibliotheksmanagementsysteme sind vielfach auf die UDC abgestimmt. Sie ermöglichen das strukturierte Arbeiten mit Notationen, unterstützen die Pflege und Qualitätskontrolle und erleichtern die Integration der UDC in Metadatenregime wie MARC, UNIMARC oder BIBFRAME. Die Vergabe von UDC-Notationen erfolgt überwiegend manuell durch qualifiziertes Personal, zunehmend aber unterstützt durch automatische Vorschlagssysteme und Matching von Inhaltsdaten gegen die Master Reference File.
Vorteile der UDC-Anwendung sind:
- Präzise und flexible Erschließung unterschiedlichster Medienarten (Print, digital, hybrid)
- Einfache Kombination und Feingliederung interdisziplinärer Themen
- Integration und Harmonisierung mit internationalen Datenformaten und Standards (z. B. ISO 5963, ISO 999)
- Unterstützung der Mehrsprachigkeit durch international standardisierte Notationen
- Nachhaltige Nutzbarkeit in nationalen und internationalen Bibliotheks- und Informationsnetzwerken
Neben der UDC werden je nach Land und Einrichtung auch andere Klassifikationssysteme eingesetzt, zum Beispiel die Dewey-Dezimalklassifikation (DDC), die Library of Congress Classification (LCC) oder in Deutschland die Regensburger Verbundklassifikation (RVK). Diese Systeme unterscheiden sich in ihrer strukturellen Tiefe, Kombinierbarkeit und internationalen Verbreitung; die UDC gilt als eines der flexibelsten und international wirksamsten Klassifikationsmodelle.
Praktische Hinweise zur Arbeit mit der UDC
- Regelmäßige Schulungen: Vermitteln Sie Mitarbeitenden Aufbau, Kombinierungsregeln und typische Fehlerquellen der UDC. Externe Fortbildungen, Zertifikate und Communities wie UDC-Nutzergruppen können dabei unterstützen.
- Aktualisierung und Pflege: Halten Sie Ihre Systeme und Notationstabellen auf dem aktuellen Stand, indem Sie regelmäßig Updates des UDC Consortium übernehmen. So vermeiden Sie veraltete Klassifikationen und steigern die Recherchequalität.
- Digitale Unterstützung: Nutzen Sie elektronische Werkzeuge wie UDC Online, UDC Master Reference File, UDC Summary, Linked Data Services und Schnittstellen zu Datenformaten wie SKOS/RDF.
- Verknüpfung mit Schlagwort- und Sachwortsystemen: Kombinieren Sie die UDC mit kontrollierten Vokabularen, um Recherche und Erschließung zu optimieren. Dies ist besonders relevant für Discovery-Systeme und Portale.
- Qualitätskontrolle: Setzen Sie regelmäßig Prüfmechanismen für Notationsvergabe und Feinklassifikation ein, um Inkonsistenzen und Überdetaillierung zu vermeiden.
- Beachtung lokaler Richtlinien: Beachten Sie hausinterne Regeln bei der Indexierung. Nicht jede Spezifizierung muss ausgenutzt werden - vermeiden Sie eine zu starke Feingliederung.
Beispiel: Erhält eine Universitätsbibliothek eine Masterarbeit zu „Roboteranwendungen in der Krebstherapie“, könnten Sie folgende UDC-Notationen kombinieren: 621.865:616-006-042 - wobei -042 die Hilfstafel für Masterarbeit angibt. Die sachgerechte Anwendung der Zeichen (Doppelpunkt für Beziehung, Minus für Hilfstafeln) ist für die exakte Verschlagwortung entscheidend.
Typischerweise werden UDC-Notationen in Katalogdatenbanken gespeichert, seltener direkt physisch auf Medien angebracht.
Herausforderungen, Synergieeffekte und Kritikpunkte
- Komplexität der Systematik: Die Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten kann zu Fehlern und Inkonsistenzen führen.
- Übermäßige Ausdifferenzierung: Unnötige Tiefe erschwert die Übersicht. Die Anwendung sollte stets zweckorientiert erfolgen.
- Lizenzierung und Nutzungskosten: Die Nutzung der vollständigen UDC-Tabellen ist lizenzpflichtig. Open Data-Modelle und Initiativen existieren, sind jedoch noch nicht umfassend etabliert.
- Aktualitätsprobleme: Eine lückenhafte Pflege oder verspätete Aktualisierung kann die Nutzbarkeit beeinträchtigen.
- Technischer Aufwand: Die Integration in Metadaten, Linked Data und nationale Austauschformate (wie MARC/UNIMARC/BIBFRAME) verlangt spezialisiertes Know-how.
Ein besonderer Mehrwert ergibt sich durch die internationale Standardisierung, die Interoperabilität mit anderen Katalogsystemen sowie die Schnittstellen zu Discovery-Systemen und Suchportalen. Die flexible Struktur eröffnet neue Möglichkeiten im Umgang mit hybriden und digitalen Medienbeständen.
Häufige Fragen zur Universellen Dezimalklassifikation
Was unterscheidet die UDC von anderen Klassifikationssystemen wie DDC, LCC oder RVK?
Die UDC ist besonders durch ihre ausgeprägte Kombinierbarkeit und Flexibilität charakterisiert. Mithilfe syntaktischer Zeichen und umfangreicher Hilfstafeln lassen sich auch komplexe, fachübergreifende Sachverhalte differenziert abbilden. Die UDC ist international etabliert und in zahlreichen Sprachen verfügbar. Im Unterschied dazu ist die DDC stärker hierarchisch-linear angelegt, LCC basiert vor allem auf US-amerikanischen Institutionstraditionen, und die RVK verwendet ein alphanumerisches Klassifikationssystem, das insbesondere auf den Bedarf deutschsprachiger wissenschaftlicher Bibliotheken ausgerichtet ist.
Warum ist keine Hauptklasse „4“ in der UDC vorgesehen?
Die Klasse 4 war ursprünglich für Philologie und Sprachwissenschaften gedacht. Nach Konsolidierung der Systematik wurde entschieden, entsprechende Themen in Klasse 8 (Sprache und Literatur) zu integrieren. Die Klasse 4 bleibt daher unbesetzt. Das Freilassen ist ein historisches Produkt der Systementwicklung, kein Vorbehalt für künftige Disziplinen.
Wie funktioniert die Pflege und Aktualisierung der UDC?
Das UDC Consortium ist für die laufende Aktualisierung, Pflege und Weiterentwicklung der UDC verantwortlich. Neue Wissenschaftsbereiche und gesellschaftliche Entwicklungen werden kontinuierlich integriert. Die Nutzung der vollständigen UDC erfordert in der Regel eine Lizenz, insbesondere für professionelle Anwendungen oder die Integration in IT-Systeme.
Gibt es elektronische Werkzeuge für die Arbeit mit der UDC?
Ja, es stehen verschiedene Tools bereit: UDC Online bietet Zugriff auf aktuelle Tabellen. Die UDC Master Reference File stellt maschinenlesbare Daten bereit. UDC Summary bietet einen offenen Überblick über ausgewählte Hauptstrukturen. Für den Einsatz in Metadaten und Linked Data sind Formate wie SKOS/RDF verfügbar.
Wie werden UDC-Notationen vergeben - ist eine automatische Zuweisung möglich?
Die Notationsvergabe erfolgt überwiegend manuell durch geschultes Fachpersonal. Es existieren jedoch bereits unterstützende Softwaretools, die Vorschläge auf Basis von Inhaltsdaten und Schlagworten liefern. Diese maschinelle Unterstützung ist besonders bei standardisierten Dokumenttypen nützlich, ersetzt jedoch keine qualifizierte Indexierung.
Wird die UDC auch außerhalb von Bibliotheken verwendet?
Ja, die UDC findet ebenfalls Anwendung in Dokumentationsstellen, Forschungszentren, Archiven, spezialisierten Datenbanken und internationalen Organisationen. Ihre Stärke liegt insbesondere in der internationalen, mehrsprachigen Struktur und der Fähigkeit, Wissen disziplinübergreifend zu erschließen.
Welche Rolle spielt die UDC in Metadatenstandards und Datenaustauschformaten?
Die UDC ist mit zahlreichen Austauschformaten wie MARC21, UNIMARC oder BIBFRAME kompatibel. Sie wird zunehmend auch in Linked-Data-Anwendungen und Semantic-Web-Kontexten eingesetzt, um die Interoperabilität zwischen Systemen und Institutionen zu fördern.
Welche Kritikpunkte gibt es an der UDC?
Zu den häufigsten Kritikpunkten zählen die Komplexität der Notationsbildung, der zeitliche Pflegeaufwand, erforderliche Schulungen sowie die Lizenzpflicht für professionelle Anwendungen. Auch die fortlaufende Aktualisierung stellt für große Einrichtungen gelegentlich eine Herausforderung dar.
Wo finde ich weiterführende Informationsquellen und Communities zur UDC?
Das UDC Consortium veröffentlicht sämtliche offiziellen Informationen unter https://www.udcc.org/. Für den Einstieg bietet sich außerdem das Werk „Universal Decimal Classification: A Guide to the UDC“ von Aida Slavic an. Internationale Fortbildungen, Fachliteratur und Online-Communities unterstützen bei der Vertiefung der Praxis und im Netzwerk mit anderen UDC-Anwendern.