Open Science will wissenschaftliche Erkenntnisse für Forschende, Studierende, Politik und Öffentlichkeit so frei, verständlich und nutzbar wie möglich machen. Dabei werden klassische Grenzen der Wissenschaftspraxis erweitert und ein grundlegend neuer Umgang mit Wissen etabliert. So fördert Open Science Austausch, Innovation und gesellschaftliche Teilhabe an Forschung mit möglichst wenigen Barrieren.
Geschichte und Entwicklung von Open Science
Der Gedanke, wissenschaftliche Erkenntnisse zu teilen, existiert seit den Ursprüngen der modernen Wissenschaft. Erste Netzwerke entstanden durch Korrespondenzen und Fachzeitschriften. Mit Internet und Digitalisierung ist Wissen global und unmittelbar zugänglich geworden.
Beginnend mit Open-Access-Initiativen wie der Budapest Open Access Initiative (2002) gewann die Bewegung an Fahrt. 2018 sorgte Plan S, ein Zusammenschluss von Forschungsförderern, für einen beschleunigten Übergang zu Open Access bei wissenschaftlichen Publikationen, während weitere Initiativen wie die UNESCO Recommendation on Open Science (2021) oder nationale Open-Science-Strategien die Offenheitskultur stärken.
Förderorganisationen wie die Europäische Kommission (Horizon Europe) verfolgen verbindliche Open-Science-Policies. Die DFG unterstützt Open Science, agiert jedoch in Deutschland bislang zurückhaltender und gibt weniger verpflichtende Vorgaben als internationale Organisationen. Der Wandel wird von politischen Richtlinien, Community-Initiativen und Hochschulstrategien unterstützt.
Was ist Open Science?
Open Science umfasst vielfältige Strategien, Praktiken und Initiativen, deren Ziel Offenheit, Kollaboration und Transparenz im Forschungsprozess ist. Kernidee ist, alle forschungsrelevanten Informationen - soweit rechtlich, ethisch und vertraglich vertretbar - frei und einfach zugänglich zu machen.
Einschränkungen können beispielsweise durch Datenschutz, Geheimhaltungsvorgaben, Wettbewerbsaspekte oder Patentrecht bestehen. Wichtig: Eine vorzeitige Veröffentlichung von Ergebnissen oder Daten kann eine spätere Patentierung verhindern.
Typische Bereiche von Open Science sind:
- Open Access: Kostenfreie, öffentliche Verfügbarkeit wissenschaftlicher Publikationen. Plan S stellt hier eine führende Initiative dar, ist aber klar auf Publikationen fokussiert.
- Open Data: Forschungsdaten werden offen zugänglich gemacht, um Nachnutzung und Überprüfung zu ermöglichen. Statt DataCite als Repositorium zu nennen, ist zu betonen: DataCite stellt DOIs für Forschungsdaten bereit, während Plattformen wie Dryad, Zenodo oder figshare als Repositorien dienen.
- Open Source: Quelloffene Software, Programmcode und digitale Tools werden unter Lizenzen wie MIT oder GPL veröffentlicht, sodass andere sie nutzen, anpassen und weiterentwickeln können. Plattformen wie GitHub, GitLab oder Zenodo dienen der kollaborativen Entwicklung und Veröffentlichung, wobei nicht jede Plattform ausschließlich Open-Source-Projekte fördert. Spezielle Lizenzen regeln Bedingungen für die Nachnutzung.
- Open Hardware: Wissenschaftliche Geräte und Messtechnik werden samt Schaltplänen, Bauanleitungen und Design-Dateien offen geteilt. Lizenzen wie die CERN Open Hardware License (CERN OHL) regeln die rechtliche Seite. Beispiele sind offene 3D-Drucker oder Mikroskope.
- Open Peer Review: Begutachtungsprozesse werden transparenter gestaltet, beispielsweise durch offene Begutachtungsberichte, namentliche Nennung der Reviewenden oder öffentliche Diskussionen. Je nach Modell und Disziplin gibt es Chancen (Nachvollziehbarkeit, Transparenz) und Herausforderungen (z. B. erhöhter Zeitaufwand, Hemmschwellen, Befangenheit).
- Citizen Science: Bürger beteiligen sich aktiv an Forschungsprozessen, beispielweise durch Datensammlung, -auswertung oder Co-Autorenschaft.
- Open Educational Resources (OER): Lehr- und Lernmaterialien werden offen lizensiert verfügbar gemacht, sodass sie weiterverwendet und angepasst werden können.
- Open Notebooks: Forschungsnotizen und -protokolle werden kontinuierlich online veröffentlicht, um Prozesse, Fehlversuche und Fortschritte transparent zu machen.
- Preprints: Vorabveröffentlichungen wissenschaftlicher Arbeiten auf Plattformen wie arXiv, bioRxiv oder SocArXiv erlauben schnellen Wissensaustausch vor der formalen Peer Review.
- Open Metrics: Neue Metriken wie Altmetrics ergänzen klassische Zitationskennzahlen, indem sie den Einfluss von Publikationen in sozialen Medien, Blogs oder Online-Plattformen messen und sichtbar machen.
Die FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable) leiten insbesondere den Umgang mit Forschungsdaten und Software. Auch Aspekte wie Responsible Research and Innovation (RRI) und ethische Forschungsstandards sind eng mit Open Science verwoben.
Rechtliche und ethische Aspekte
Open Science bewegt sich in einem komplexen rechtlichen und ethischen Rahmen:
- Urheberrecht und Lizenzen: Veröffentlichungen unter Lizenzen wie Creative Commons (z. B. CC BY, CC0 für Daten) schaffen Rechtssicherheit und erlauben Nachnutzung. Nationale Gesetze können die Offenheit einschränken oder besondere Vorgaben machen, gerade bei personenbezogenen Daten oder bei internationaler Zusammenarbeit.
- Datenschutz: Sensible oder personenbezogene Daten dürfen nicht ohne weiteres offen geteilt werden und unterliegen strengen rechtlichen Vorgaben (z. B. DSGVO).
- Patentrecht: Eine Veröffentlichungen vor einer Patentanmeldung kann zur Verwirkung des Patentrechts führen.
Die sorgfältige Auswahl der richtigen Lizenz, die Absicherung ethischer Standards und gegebenenfalls Rechtsberatung sind elementar für die Umsetzung von Open Science.
Vorteile von Open Science in der Forschung
Open Science bietet zahlreiche Vorteile:
- Beschleunigter Wissensaustausch: Offenheit ermöglicht rasche Weiterentwicklung und Kooperationen, nationale wie internationale.
- Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Offen dokumentierte Methoden, Daten, Software und ergänzende Metadaten schaffen die Basis für Reproduzierbarkeit - ein Grundpfeiler wissenschaftlicher Qualität.
- Erhöhte Sichtbarkeit: Offene Publikationen und Daten verbessern meist die Auffindbarkeit. Die Korrelation mit höheren Zitationsraten wird diskutiert, die Evidenz bleibt jedoch heterogen.
- Vermeidung von Doppelarbeit: Durch offene Daten und Methoden sinkt das Risiko doppelter Forschungsanstrengungen.
- Neue Anerkennungsformen: Nicht nur Publikationen, sondern auch Daten, Software und Open-Science-Aktivitäten werden zunehmend in wissenschaftlichen Evaluationen gewürdigt.
- Gesellschaftliche Teilhabe: Die Gesellschaft kann Wissen besser nachvollziehen, mitgestalten und daraus Nutzen ziehen. Gerade für den globalen Süden wird der Zugang zu Information dadurch erleichtert.
Allerdings entstehen auch Risiken, wie die Möglichkeit des Missbrauchs offener Daten, Wettbewerbsnachteile („scooping“), Nutzung durch Dritte für nicht intendierte Zwecke oder Reputationsrisiken durch unvollständige, aber bereits veröffentlichte Daten. Verantwortungsvoller Umgang und sorgfältiges Abwägen sind daher unverzichtbar.
Herausforderungen und Limitationen von Open Science
Zu den zentralen Herausforderungen zählen:
- Rechtliche und ethische Hürden: Datenschutz, Urheberrecht, Schutz sensibler Informationen und nationale wie internationale Gesetzgebung erfordern sorgfältige Prüfung vor Veröffentlichung.
- Technische Anforderungen: Metadatenqualität, nachhaltige Infrastruktur, kompatible Datenformate und persistente Identifikatoren wie DOIs sind notwendig, um nachhaltige Nutzbarkeit zu sichern. Großprojekte wie die European Open Science Cloud (EOSC) oder die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) in Deutschland bauen solche Infrastrukturen auf.
- Finanzielle Ressourcen: Open-Access-Publikationsgebühren, Kosten für Datenmanagement und nachhaltige Archivierung können Forschungseinrichtungen und Einzelpersonen belasten. Die langfristige Finanzierung von Infrastruktur bleibt ein offenes Thema.
- Kulturelle Barrieren: Wissenschaftliche Anerkennung orientiert sich noch vielfach an klassischen Publikationen; offene Praktiken und neue Messgrößen („Open Metrics“) sind noch nicht flächendeckend anerkannt.
- Anreizstrukturen und Evaluierung: Es fehlen flächendeckend Anreizsysteme zur Open Science-Compliance. Neue Formen, wie Evaluierung und wissenschaftliche Karriereförderung, entwickeln sich erst.
- Wettbewerb („scooping“): Die frühzeitige Offenlegung von Daten und Ergebnissen erhöht das Risiko, von Dritten „überholt“ zu werden.
- Fachspezifische Unterschiede: Die Umsetzung variiert zwischen Naturwissenschaften, Sozial- und Geisteswissenschaften oder Ingenieurdiziplinen.
- Offene Begutachtung: Bei Open Peer Review bestehen Risiken wie Befangenheit, Unsicherheiten bezüglich Anonymität und Akzeptanzunterschiede je nach Disziplin.
Förderer wie die Europäische Kommission oder nationale Ministerien machen Open Science zunehmend zur Voraussetzung, bieten aber auch Unterstützung und Orientierungshilfen. Die DFG setzt beispielsweise auf Richtlinien und Empfehlungen, agiert jedoch bislang zurückhaltender als internationale Vorreiter.
Open Science und Forschungsinformationssysteme
Informationsmanagement-Systeme sind Schlüsselinstrumente für die Umsetzung von Open-Science-Prinzipien. Forschungsinformationssysteme (FIS), wie sie GLOMAS anbietet, unterstützen die strukturierte Erfassung, Verknüpfung und Publikation von Forschungsaktivitäten rund um Publikationen, Daten, Software und Projekte. Mithilfe eines FIS können Zugriffsrechte, Lizenzen, Metadaten und Nachweispflichten effizient gemanagt und dokumentiert werden. Darüber hinaus unterstützen moderne FIS wissenschaftliche Workflows, automatisieren Berichte, helfen bei der Open-Science-Compliance und bieten Schnittstellen zu nationalen und internationalen Repositorien.
Auch Alternativen wie institutionelle Repositorien, kollaborative Projektplattformen, elektronische Laborbücher oder spezialisierte Datenspeicherlösungen sind verbreitet und können Open Science unterstützen. Welches System sinnvoll ist, hängt von Disziplin, Institution und Projektgröße ab. Ergänzend bietet GLOMAS weitere Lösungen, etwa für Normenmanagement, Bibliotheksmanagement, Parlamentsdokumentation und die datenbasierte Unterstützung von Vertriebsprozessen.
Best Practices und praktische Hinweise
Für eine erfolgreiche Implementierung von Open Science empfehlen sich folgende Maßnahmen:
- Verwenden Sie etablierte Repositorien: Nutzen Sie Plattformen wie Zenodo, arXiv, Dryad, figshare oder institutionelle Repositorien für Publikationen und Daten.
- Beachten Sie FAIR-Prinzipien: Stellen Sie sicher, dass Ihre Daten auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar sind.
- Klären Sie Lizenz- und Urheberrechtsfragen rechtzeitig: Setzen Sie auf etablierte Lizenzen wie Creative Commons (CC BY, CC BY-SA, CC0), GNU GPL, MIT, Apache (Software) oder Open Data Commons Licenses (ODC-By, ODbL) für Forschungsdaten.
- Dokumentieren Sie Daten und Methoden gründlich: Ergänzen Sie Ihre Arbeit um strukturierte Metadaten, wiederverwendbare Software und offene Notizbücher (z. B. Jupyter Notebooks, Open-Lab-Notebooks).
- Erstellen Sie einen Datenmanagementplan (DMP): Ein DMP regelt die Erhebung, Speicherung, Nachnutzung und Archivierung der Projektdaten gemäß Fördervorgaben.
- Nutzen Sie unterstützende Werkzeuge: Elektronische Laborbücher, Open-Source-Schreibplattformen wie Overleaf oder Authorea und Kollaborationsplattformen wie GitHub erleichtern offene Prozesse.
- Schulen Sie Mitarbeitende: Vermitteln Sie Open-Science-Wissen, etablieren Sie institutionelle Standards, stimmen Sie sich mit Rechts- und Datenschutzbeauftragten ab.
- Verfolgen Sie aktuelle Policies und Entwicklungen: Informieren Sie sich über nationale und internationale Open-Science-Strategien, etwa die UNESCO-Empfehlung oder Policies von Universitäten und Forschungsorganisationen.
- Reflektieren Sie Risiken: Prüfen Sie vor Veröffentlichung mögliche Risiken und holen Sie gegebenenfalls juristischen Rat ein.
Zukünftige Entwicklungen und Trends
Open Science wird durch Automatisierung, Künstliche Intelligenz und kollaborative digitale Werkzeuge nachhaltig transformiert. Neue Publikationsmodelle, offene Peer-Review-Plattformen und Crowdsourcing verändern Forschungsabläufe zunehmend. Die Bedeutung proaktiver Wissenschaftskommunikation und der Dialog zwischen Forschung und Gesellschaft nehmen weiter zu, insbesondere in Hinblick auf globale Herausforderungen wie Klima, Gesundheit oder nachhaltige Entwicklung.
Häufige Fragen zu Open Science
Was ist der Unterschied zwischen Open Access und Open Science?
Open Access bedeutet den freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Open Science umfasst darüber hinaus Offenheit entlang des gesamten Forschungsprozesses - von der Frage- und Datengenerierung über Methoden, Software, Begutachtung bis hin zur Wissenschaftskommunikation. Open Science verändert damit die Prozesse und Strukturen der Wissenschaft grundlegend.
Muss ich alle meine Daten im Rahmen von Open Science veröffentlichen?
Nein, es besteht keine Verpflichtung, sämtliche Daten uneingeschränkt zu veröffentlichen. Datenschutz, Urheberrecht, ethische oder vertragliche Anforderungen und Schutzinteressen (wie Patente) müssen beachtet werden. Nur für die öffentliche Weitergabe geeignete Daten können offen geteilt werden.
Wie wähle ich die passende Lizenz für offene Publikationen oder Daten aus?
Für Veröffentlichungen eignen sich Creative-Commons-Lizenzen (CC BY, CC BY-SA, CC0). Bei Forschungsdaten stehen etwa ODC-By oder ODbL zur Verfügung. Für Software passen Open-Source-Lizenzen wie MIT, GPL oder Apache. Ziehen Sie bei Unsicherheiten Fachleute für Recht oder Datenmanagement hinzu.
Wie unterstützt ein Forschungsinformationssystem die Umsetzung von Open Science?
Ein Forschungsinformationssystem (FIS) bündelt Forschungsoutputs wie Publikationen, Daten, Software, Projekte und macht diese strukturiert auffindbar. Es vereinfacht Lizenzverwaltung, Metadatenpflege, Compliance-Berichte, öffentliche Dokumentation und steigert die Sichtbarkeit. Wissenschaftliche Prozesse werden unterstützt und Nachweise gegenüber Förderern oder Öffentlichkeit erleichtert.
Welche Risiken bestehen bei der Veröffentlichung offener Forschungsdaten?
Risiken entstehen durch den möglichen Missbrauch sensibler Daten, die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, Beeinträchtigung konkurrierender Forschungsvorhaben oder mangelnde Qualitätssicherung. Vor der Veröffentlichung sollten Daten sorgfältig geprüft und falls nötig anonymisiert werden.
Wer profitiert von Open Science?
Forschende erschließen neue Formen der Anerkennung, Kooperation und Ressourcen. Einrichtungen werden sichtbarer, innovativer und stärken ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Gesellschaft gewinnt durch freien Zugang zu Wissen, Teilhabe an Forschung und bessere Lösungen für globale Herausforderungen. Auch Forschende im globalen Süden profitieren von niedrigschwelligem Zugang zu Ressourcen.
Wie kann ich Open Science im eigenen Forschungsalltag einführen?
Beginnen Sie mit der Nutzung offener Publikationsplattformen, veröffentlichen Sie erstmals ausgewählte Datensätze, verwenden Sie offene Software und kollaborative Tools. Klären Sie Lizenzfragen frühzeitig, erstellen Sie einen Datenmanagementplan und orientieren Sie sich an institutionellen Workflows, Förderbedingungen und Best Practices. Schulen und fortlaufende Information unterstützen die nachhaltige Einführung.