Dieses Konzept findet breite Anwendung, unabhängig davon, ob eine Organisation privatwirtschaftlich, öffentlich oder gemeinnützig agiert. Die Customer Journey bildet die Basis für gezieltes Informations-, Vertriebs- und Beziehungsmanagement und ist ein zentrales Werkzeug, um Kundenkontakte zu verstehen, zu gestalten und zu optimieren.
Was ist die Customer Journey?
Die Customer Journey umfasst den kompletten Prozess, den Kundinnen und Kunden mit einer Organisation erleben. Hierbei werden sämtliche Berührungspunkte, sogenannte Touchpoints, erfasst: von der ersten Aufmerksamkeit und Informationsbeschaffung, über die Überlegung und den Kauf, bis zur Nutzung, weiteren Interaktionen, einer möglichen Kündigung und nachfolgender Reaktivierungsversuche. Jeder dieser Kontaktpunkte – ob digital, analog, persönlich oder automatisiert – beeinflusst die Wahrnehmung und Entscheidung der Kundinnen und Kunden.
Im digitalen Zeitalter erhält die kontinuierliche Analyse der Customer Journey besondere Bedeutung: Sie ermöglicht es, Kundenbedürfnisse und Verhaltensweisen zu erkennen und kontinuierlich auf sich wandelnde Gegebenheiten zu reagieren. Auch nach Vertragsende oder Kaufabschluss bleibt der Kontakt relevant, etwa bei Feedbackprozessen, Support, oder gezielten Rückgewinnungsmaßnahmen (Win-back).
Historischer Überblick
Das Konzept der Customer Journey entwickelte sich mit dem zunehmenden Fokus auf Kundenzentrierung in Marketing, Vertrieb und Service. In den frühen 2000er-Jahren wurde der Begriff zunehmend in Unternehmen und Forschung diskutiert. Die gestiegene Komplexität durch digitale Kanäle führte dazu, dass neben klassischen Kaufentscheidungsmodellen heute ein vielschichtiges Bild und eine ganzheitliche Betrachtung des Kundenerlebnisses im Vordergrund stehen.
Die Phasen der Customer Journey
Die Customer Journey wird typischerweise in mehrere Phasen unterteilt, die – je nach Organisation, Branche oder Zielgruppe – unterschiedlich ausgeprägt und bezeichnet werden können. Oft gebräuchliche Phaseneinteilungen umfassen:
- Awareness (Bewusstseinsphase): Die Kundin oder der Kunde wird erstmals auf ein Angebot aufmerksam, etwa durch Internetrecherche, Werbung, Social Media oder Empfehlungen.
- Consideration (Überlegungsphase): Potenzielle Kundinnen und Kunden informieren sich, vergleichen unterschiedliche Optionen und bewerten Nutzen, Eigenschaften sowie Servicequalität.
- Decision (Entscheidungsphase): Die konkrete Kauf- oder Nutzungsentscheidung wird getroffen, beeinflusst durch Beratung, Preisgestaltung, Vertrauenswürdigkeit oder spezifische Mehrwerte.
- Retention oder Loyalty (Bindungs- und Loyalitätsphase): Nach dem Kauf oder Vertragsabschluss beginnt die Phase der Bindung. Zufriedenstellender Service, relevante Informationen und Zusatzangebote erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Wiederholungskäufe oder langfristige Nutzung.
- Advocacy (Empfehlungsphase): Begeisterte Kundinnen und Kunden werden zu Fürsprechern, teilen ihre positiven Erfahrungen im persönlichen Gespräch oder digital, und tragen so zur Gewinnung neuer Kunden bei.
- Ablösung/Churn und Win-back: Auch eine Beendigung der Beziehung gilt als Teil der Customer Journey. Ehemalige Kunden können durch gezielte Maßnahmen reaktiviert werden. Dieses Nachfassen ist besonders bei Abo-Modellen oder dienstleistungsorientierten Angeboten relevant.
Diese Phasen verlaufen nicht zwingend linear; sie können sich überschneiden, wiederholt durchlaufen werden oder einzelne Abschnitte können entfallen.
Methoden und Werkzeuge zur Analyse und Visualisierung
Um eine Customer Journey strukturiert zu erfassen und analysieren, hat sich eine Vielzahl von Methoden und Werkzeugen etabliert:
- Customer Journey Mapping: Die visuelle Darstellung aller relevanten Phasen, Kontaktpunkte und Erfahrungen entlang des Kundenweges.
- Empathy Maps: Dienen dazu, die Gedanken, Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen besser zu verstehen.
- Experience Maps: Bieten eine umfassende Übersicht über alle relevanten Erfahrungen der Kundinnen und Kunden, auch außerhalb der eigenen Organisation.
- Personas: Fiktive, repräsentative Profile typischer Zielgruppen, die helfen, Angebote und Kommunikation zielgruppenspezifisch zu gestalten.
Solche Analysen unterstützen dabei, Optimierungspotenziale zu identifizieren, Informationsflüsse zu steuern und den Gesamtüberblick über relevante Kundenerlebnisse zu behalten.
Unterschiedliche Customer Journeys: B2B vs. B2C
Die Customer Journey unterscheidet sich je nach Geschäftsmodell. Im B2C-Umfeld verlaufen viele Kaufprozesse vergleichsweise kurz, sind stärker emotional geprägt und umfassen meist weniger Entscheider. Im B2B-Bereich hingegen sind die Entscheidungsprozesse häufig langwieriger, komplexer, mit mehreren beteiligten Personen und durch intensive Informationsrecherche gekennzeichnet. Auch die Nachbetreuung und Serviceleistungen stehen hier noch stärker im Vordergrund.
Die Bedeutung von Omnichannel und neuen Technologien
Moderne Customer Journeys sind über verschiedene, miteinander verknüpfte Kanäle („Omnichannel“) verteilt – etwa Website, E-Mail, Telefon, Social Media, vor Ort, Apps oder Self-Service-Portale. Ein konsistentes, nahtloses Erlebnis über alle Kanäle hinweg ist entscheidend. Moderne Technologien wie künstliche Intelligenz, Machine Learning und Automatisierung bieten zusätzliche Möglichkeiten zur Personalisierung und zur deutlichen Verbesserung des Kundenerlebnisses: Sie helfen dabei, Daten auszuwerten, personalisierte Inhalte auszuspielen und zeitnah auf Kundenbedürfnisse zu reagieren.
Erfolgsmessung und Metriken
Die Wirkung von Customer-Journey-Maßnahmen lässt sich an verschiedenen Kennzahlen ablesen. Wichtige Metriken sind z. B.:
- Net Promoter Score (NPS): Misst die Weiterempfehlungsbereitschaft.
- Conversion Rate: Der Anteil von Kontakten, die einen gewünschten Schritt (etwa Kauf oder Registrierung) vollziehen.
- Churn Rate: Anteil der Kunden, die abspringen oder kündigen.
- Customer Lifetime Value (CLV): Der erwartete Wert, den ein Kunde während der gesamten Geschäftsbeziehung generiert.
- Time-to-Resolution: Durchschnittliche Zeit, bis ein Anliegen oder Problem gelöst wird.
Diese Metriken unterstützen Organisationen dabei, den Erfolg von Veränderungen und Maßnahmen gezielt zu überwachen.
Integration, Feedback und Optimierung
Eine effektive Customer Journey ist keine einmalige Initiative, sondern erfordert fortlaufende Beobachtung und Anpassung. Rückmeldungen aus Support, Umfragen, digitalen Analysen oder direkten Gesprächen fließen regelmäßig in Optimierungsprozesse ein (Continuous Improvement). Gerade im Umfeld von Informationsmanagementsystemen ist es entscheidend, relevante Touchpoints zu erkennen, Feedback zu nutzen und Prozesse systematisch zu verbessern.
Typische Herausforderungen und Stolpersteine
Zu den häufigsten Hürden bei der Umsetzung von Customer-Journey-Management zählen:
- Fehlende Abstimmung zwischen verschiedenen Abteilungen (z. B. Vertrieb, Marketing, Service)
- Unzureichende Datenbasis aufgrund isolierter Systeme („Dateninseln“)
- Mangelnde konsistente Kundenerfahrung über verschiedene Kanäle hinweg
- Vernachlässigung der spezifischen Bedürfnisse einzelner Zielgruppen oder Personas
- Zu seltene oder punktuelle Aktualisierung von Journey Maps und Analysen
Eine offene Kommunikationskultur, die Einbindung aller relevanten Bereiche und der kontinuierliche Rückgriff auf Kundenfeedback sind entscheidende Faktoren für den Erfolg.
Customer Journey und Customer Experience Management
Die Customer Journey ist eng mit Begriffen wie Customer Experience (Kundenerlebnis) und Customer Experience Management (CEM) verwoben. Während die Customer Journey die einzelnen Stationen und Berührungspunkte aus Sicht der Kundin oder des Kunden beschreibt, befasst sich das Customer Experience Management mit der ganzheitlichen Gestaltung und Optimierung sämtlicher Erlebnisse und Kontaktpunkte, um eine durchgehend positive Wahrnehmung zu schaffen.
Glossar zentraler Begriffe
- Persona: Ein fiktives, datenbasiertes Modell eines typischen Nutzers oder Kunden.
- Touchpoint: Einzelner Kontaktpunkt zwischen Kunde und Organisation (z. B. Website, Vertrieb, Support).
- Moment of Truth: Entscheidend prägende Momente in der Customer Journey, die das weitere Verhalten maßgeblich beeinflussen.
- Conversion: Messbare gewünschte Aktion, wie beispielsweise der Abschluss eines Kaufs.
- Churn: Kündigung oder Abwanderung eines Kunden.
- Customer Lifetime Value: Der monetäre Wert eines Kunden über die Dauer der Beziehung.
- NPS (Net Promoter Score): Messgröße der Weiterempfehlungsbereitschaft.
Beispielhafte Use Cases
- Ein Online-Händler stellt durch Customer Journey Mapping fest, dass viele Kundinnen und Kunden den Kaufprozess auf der Bezahlseite abbrechen. Durch Vereinfachung des Prozesses und gezielte Erinnerungen wird die Conversion Rate deutlich erhöht.
- Eine öffentliche Behörde identifiziert über Feedbackschleifen, dass Antragsteller häufig an unklaren Formularen scheitern. Mit Hilfe von Empathy Maps werden Prozesse nutzerfreundlicher gestaltet und die Time-to-Resolution verringert.
- Ein Dienstleister für Normenmanagement entdeckt durch Analysen, dass Interessenten besonders häufig bei der Informationssuche abspringen. Durch Einführung eines Chatbots als schnellen digitalen Touchpoint verbessert sich die Nutzerführung messbar.
Häufige Fragen zur Customer Journey
Was sind Touchpoints innerhalb der Customer Journey?
Touchpoints sind jegliche Kontaktpunkte, an denen Kundinnen und Kunden mit einer Organisation oder deren Produkten und Dienstleistungen in Berührung treten. Beispiele sind Websites, Messen, Social Media, E-Mail-Korrespondenz, persönliches Gespräch oder der Support – aber auch Self-Service-Portale und automatisierte Benachrichtigungen zählen dazu.
Muss jede Customer Journey identisch ablaufen und alle Phasen durchlaufen?
Nein, die Customer Journey ist individuell. Je nach Branche, Angebotsform und Zielgruppe können sich die Phasen unterscheiden; manche Schritte entfallen, andere wiederholen sich oder laufen parallel ab. Die Aufteilung in Phasen dient als Orientierung und wird im Einzelfall situativ angepasst.
Welchen Nutzen bieten Customer Journey Maps?
Customer Journey Maps machen die einzelnen Kontaktpunkte und Entscheidungsphasen sichtbar. Sie unterstützen dabei, das Erleben der Kundinnen und Kunden ganzheitlich nachzuvollziehen, Verbesserungspotenziale zu erkennen und konkrete Maßnahmen zur Optimierung abzuleiten.
Welche Rolle spielen moderne Technologien in der Customer Journey?
Neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Automatisierung und fortschrittliche Analysetools ermöglichen es Organisationen, Daten zu analysieren, Prozesse zu personalisieren und Kundenbedürfnisse frühzeitig zu erkennen sowie gezielter darauf einzugehen.
Wie steht die Customer Journey zur User Experience (UX)?
Die Customer Journey beschreibt den gesamten Prozess mit allen Aktionen und Kontaktpunkten, während sich die User Experience auf das ganzheitliche, subjektiv wahrgenommene Erlebnis mit einem Produkt oder einer Dienstleistung konzentriert. Erfolgreiche Journeys fördern ein positives Nutzungserlebnis.
Wie häufig sollte die Customer Journey überprüft und aktualisiert werden?
Eine regelmäßige Überprüfung ist unerlässlich, insbesondere bei Veränderungen im Markt, in der Organisation oder im Kundenverhalten. Mindestens einmal jährlich sowie bei signifikanten Änderungen sollte die Customer Journey systematisch analysiert und aktualisiert werden.
Welche Herausforderungen gibt es beim Management der Customer Journey?
Zu den Herausforderungen zählen mangelnde Abstimmung zwischen Organisationseinheiten, fehlende Datenintegration, inkonsistente Kommunikation über verschiedene Kanäle oder eine unzureichende Berücksichtigung unterschiedlicher Kundentypen und ihrer Bedürfnisse. Ein methodisches und abteilungsübergreifendes Vorgehen ist deshalb wesentlich.